Alle Kurse auf ein Online-Format umgestellt.
Regensburg – Fatima ist 16 und erst seit kurzem in Deutschland. Sie besucht derzeit einen Alphabetisierungskurs für berufschulpflichtige Jugendliche bei der Stadt Regensburg. Einer der ersten Wege, wenn man als Jugendlicher in Regensburg ankommt, führt zu Alexander Piendl – dem Koordinator für berufsschulpflichtige Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten in Stadt und Landkreis Regensburg. Jeden Mittwoch finden seine Beratungen statt, in denen er zunächst die Kenntnisse in Deutsch, Mathematik und Englisch testet und anschließend die Jugendlichen und jungen Erwachsenen je nach Sprachstand in Kursen auf die Berufsschule vorbereitet. Doch Corona hat auch hier einiges verändert.
Jugendliche zwischen 15 und 21, die neu nach Bayern kommen, unterliegen der Berufsschulpflicht. Bevor sie allerdings in eine Berufsintegrationsklasse gehen können, um dort den Mittelschulabschluss zu machen, müssen viele zunächst einen Alphabetisierungskurs bei der städtischen Koordinierungsstelle im Bildungsreferat durchlaufen. „Das Niveau ist sehr unterschiedlich, wir haben junge Leute dabei, die keine oder nur wenige Jahre die Schule besucht haben. Da fangen wir praktisch von vorne an. Mit dem ersten Lockdown hätten dann auch die Alphabetisierungskurse unterbrochen werden müssen, das wäre für viele Jugendliche nicht einfach gewesen. Die meisten wollen unbedingt Deutsch lernen und auch die Tagesstruktur ist für sie wichtig“, so Piendl.
Um die Lernunterbrechung so klein wie möglich zu halten, hat der Koordinator zusammen mit seinen Kursleiterinnen und Kursleitern eine schnelle Lösung erarbeitet. Bereits am ersten Tag des Lockdowns konnten alle Kurse nahtlos auf ein Online-Format umgestellt werden. Auch für manche Kursleitende war das neu, doch durch zeitnah umgesetzte Schulungen konnte man schnell einen routinierten Umgang mit den neuen Lernmethoden schaffen.
Eine größere Hürde war, alle Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer zu erreichen. Nicht jeder hat einen Laptop oder ein Tablet und mehrere Stunden am Smartphone mitlernen wäre sehr anstrengend. „Es gibt Jugendliche, die haben noch nie mit einer Computermaus gearbeitet. Man kann sich also vorstellen, wie schwierig es war, wirklich alle zu erreichen“, berichtet eine Kursleiterin. Dreiviertel der Kursteilnehmenden konnten dennoch online mit viel Unterstützung ihren Alphabetisierungskurs fortsetzen. Das restliche Viertel scheitert vor allem an fehlender Infrastruktur. Auch Fatima betrifft das: „Wir haben kein W-LAN in der Unterkunft. Mein Guthaben reicht nicht aus. Ich kann dann nicht mitmachen, das ist nicht gut.“
Doch Corona hat nicht nur die Arbeit in den Deutschkursen verändert. Die ehrenamtlichen Tutorinnen und Tutoren vom Projekt Azubi-Tandems, einem Nachhilfeprojekt von Campus Asyl e.V., mussten sich ebenfalls auf die neuen Begebenheiten einstellen. Das Projekt gibt es seit Januar 2019, es werden Lerntandems aus einer/m ehrenamtlichen Tutor/in und einem/r Auszubildender/n mit Fluchthintergrund gebildet. In der Regel treffen sich die Lerntandems einmal in der Woche für ca. eineinhalb Stunden.
„Ich möchte Schreiner werden. Aber ich brauche Hilfe in Mathe und für Fachbegriffe. Ich komme viel besser in der Berufsschule mit, weil ich mit meiner Tutorin lerne. Sie erklärt mir alles mit Beispielen“, so ein teilnehmender Auszubildender im Berufsgrundschuljahr.
Die Projektkoordinatoren bemühen sich sehr, dass die Tandempartnerinnen und Tandempartner gut zusammen passen. Im Idealfall haben die Ehrenamtlichen die gleiche oder eine ähnliche Ausbildung wie die Auszubildenden gemacht – das ist aber kein Muss. Der Lockdown im Frühjahr und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen beeinflussen natürlich auch dieses wichtige Projekt. „Wo es geht, versuchen sich Tandems online zu treffen. Außerdem steigt die Nachfrage stetig. Die Schulschließungen im letzten Schuljahr haben gerade bei unserer Zielgruppe ein großes Lerndefizit mit sich gebracht. Leider fehlen ehrenamtliche Tutorinnen und Tutoren und unsere Warteliste an nachhilfesuchenden Jugendlichen wird immer größer“, erläutert Elena Antonetti, eine der Projektkoordinatoren bei Campus Asyl.
Erst im September 2020 wurde das Projekt von der Stiftung Bildung und Gesellschaft mit dem Primus-Preis ausgezeichnet. Das Projekt wirkt praxisorientiert und hat eine Angebotslücke geschlossen. Campus Asyl arbeitet außerdem mit den Berufsschulen und der Stadt Regensburg zusammen, dadurch sollen Parallelstrukturen vermieden werden.
Das Projekt sucht dringend ehrenamtliche Tutorinnen und Tutoren, die beim Lernen unterstützen können. Dabei kann jeder mitmachen, denn oft geht es eher um die Vermittlung von Lernstrategien oder um gemeinsames Üben, als um tatsächliche fachliche Probleme.
Interessierte können sich gerne per E-Mail an azubi-tandems@campus-asyl.de oder telefonisch an die Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte der Stadt Regensburg, Johanna Bräu, Telefon 507-2019, wenden.
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Stadt Regensburg